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Eine Leseprobe für Kinder

Freue dich, daß es dich gibt, denn gerade du bereicherst mit deinem Dasein diese Welt. Verliere dich nie in Grübeleien, sondern bringe deinen Gedanken den nötigen Widerstand entgegen.  Verzettele dich nie in Unwahrheiten, denn die Wahrheit kommt eines Tages sowieso ans Licht. Freue dich auf jeden kommenden Tag, denn die Freude ist die größte Errungenschaft, die ein Mensch in sich trägt. Lieben, Leben und Verzeihen gehören zusammen wie das tägliche Brot. Achtet euch, denn das Leben ist zu kurz, um es sich gegenseitig schwer zu machen.


  Der Spatz und der Wind

  Es war Frühling geworden. Auf einer grünen Wiese stand eine Lärche. Und in der Krone dieser Lärche hatte sich eine Spatzenfamilie häuslich niedergelassen. Fünf kleine Spatzenkinder waren gerade aus den Eiern geschlüpft. Die Eltern hatten es schwer, die hungrigen Mäuler satt zu bekommen, denn sie bettelten ständig nach Nahrung.
   Die Tage vergingen. Aus den kleinen Spatzenkindern waren prächtige kleine Kerle geworden. Nur eines der Jungen war nicht so kräftig wie seine Geschwister.
   Als die Zeit nahte und sie flügge wurden und das Nest verlassen wollten, kam zufällig der Wind vorbei. Er schaute in das Nest, blies kräftig hinein, und eins, zwei, drei, flogen die vier kleinen Spatzen von dannen. 
   Nur ein Spatzenkind hatte seine kleinen Flügel nicht weit genug auseinander bekommen, um mit seinen Geschwistern in die Welt hinauszufliegen. So sehr es sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht, sich aus dem Nest zu erheben.
   "Piep! Piep!" Aufgeregt rief das winzige Spatzenkind. Warum half ihm denn niemand? Wo waren seine Eltern? Wo seine Geschwister? Er schlug mit seinen zarten Flügeln - doch nichts geschah. 
Das alles sah der Wind. Der kleine Spatz tat ihm leid. Da sprach der Wind: "Habe keine Angst, kleiner Spatz, ich werde dir helfen." Der kleine Vogel drückte sich ängstlich an den Boden des Nestes. 
   "Wer spricht da?" fragte das Spatzenkind. Und der Wind erwiderte: "Ich bin es, der Wind. Ich will dein Freund sein und möchte dir helfen in die Welt zu fliegen, denn ich sehe, du bist nicht so kräftig wie deine Geschwister." 
   Ehe sich das kleine Spatzenkind versah, hob der Wind es ganz sanft aus seinem Nest. So flogen sie über Hügel und Berge, über Seen und Wälder. Immer schneller wurde die Fahrt.
   Unter ihnen breitete sich die herrliche Welt aus. Da erblickte das Spatzenkind seine Eltern und seine Geschwister, sah noch einmal das Nest, in dem es geboren wurde. Plötzlich rollten Tränen über sein winziges Gesicht. Der Wind erschrak und fragte: "Was ist mit dir, mein kleiner Freund, warum weinst du?"
   "Ich möchte nun selber weiter fliegen, lieber Wind, denn ich fühle mich stark genug, um alleine fliegen zu können", erwiderte das Spatzenkind.
   "Dein Wunsch soll in Erfüllung gehen!", sagte der Wind und setzte seinen kleinen Schützling sanft auf den Ast eines Baumes ab.
   Doch, was war geschehen? Plötzlich konnte das Spätzchen seine Flügel alleine bewegen. Ja mehr noch, es konnte sich über den Ast, auf dem es gerade noch gesessen hatte, in die Luft erheben. Verstohlen wischte es sich eine Träne aus den Augen und sagte zu dem Wind: "Du hast mir mein Leben zum zweiten Mal geschenkt." Ehe es sich bedanken konnte, war der Wind davongeflogen. 
"Vielen vielen Dank lieber Wind!" rief das kleine Spätzchen, aber der Wind hörte seine Worte nicht mehr. Voller Mut flog es über die weiten Felder, direkt zu seinen Eltern und Geschwistern. Sie alle hatten sich schon große Sorgen um das Geschwisterchen gemacht.
   "Dass wir dich wieder haben!" freute sich die Mutter. Glücklich schloß sie ihr Kind in die Arme. Aufgeregt erzählte das Spätzchen von seiner großen Reise, die der Wind mit ihm unternommen hatte. Es erzählte von der Sonne, von dem Mond der ihm freundlich zugelächelt hatte, von der großen Welt, auf die es von oben herunter geschaut hatte.
   So hatte das Schicksal ein gutes Ende genommen. Wer weiß, wieviel gute Taten täglich geschehen, von denen der Mensch nichts weiß.
   Gäbe es nicht mehr zwischen Himmel und Erde, so wäre die Geschichte des kleinen Spatzenkindes sicherlich nicht so glücklich ausgegangen.

                                                                                                                                                                                        (C)2010Helga Panitzky